Kürzung des Kasko-Versicherungsschutzes bei grober Fahrlässigkeit – Quotenbildung gemäß VVG nach Gosslaer Orientierungsrahmen

Nach dem neuen Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist es den Versicherungen gestattet, bei Pflichtverletzungen der Versicherten im Zusammenhang mit einem Schadenfall die vertraglich geschuldeten Leistungen unter Berufung auf die Pflichtverletzung anteilig zu kürzen. Nach altem Recht waren die Versicherer nur bei ganz wenigen schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Versicherten berechtigt, die Versicherungsleistung zu versagen. Es galt dann das Prinzip „Alles oder nichts“. Häufig wurde deshalb darum gestritten, ob das Verhalten des Versicherten überhaupt eine so schwerwiegende Pflichtverletzung darstellte, die es den Versicherungen erlaubt, im Kleingedruckten den Wegfall des Versicherungsschutzes festzulegen oder ob tatsächlich ein entsprechend schwerer Verschuldensgrad vorlag oder eben nicht. Nach dem neuen Recht sind die Versicherer berechtigt, in ihren Versicherungsbedingungen Klauseln vorzusehen, die, orientiert am Maß des Verschuldens der jeweils vorgeworfenen Pflichtverletzung, anteilige Kürzungen der Versicherungsleistungen zu erlauben. Der Streit wird sich daher künftig auf die Höhe der angemessenen Kürzungsquote verlagern. Urteile dazu, welches pflichtwidrige Verhalten in etwa welche Kürzungen rechtfertigt, gibt es bislang kaum. Gerade für das „Massengeschäft“ der Kfz-Versicherungen insbesondere für Kaskoversicherungsfälle wünscht sich die Praxis daher einen Orientierungsrahmen. Der 47. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Gosslar hat deshalb seinen Arbeitskreis gebeten, entsprechende Grundsätze zu entwickeln. Der Arbeitskreis hat inzwischen Ergebnisse vorgelegt und unverbindliche Orientierungshilfen erarbeitet. Danach sollen bei grob fahrlässig verschuldeten Versicherungsfällen in typischen Konstellationen folgende Kürzungen in der Praxis möglich sein:

1. Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit: ·

ab 0,3 Promille bis zur Grenze von 0,5 Promille (bzw. bei entsprechendem Atemalkoholwert) = keine generelle Quotenempfehlung, sondern die Kürzung bleibt Frage des Einzelfalls ·

ab 0,5 Promille (bzw. bei entsprechendem Atemalkoholwert) bis zur Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1 Promille) = 50 % Kürzung der Versicherungsleistung ·

ab 1,1 Promille = 100 % Kürzung der Versicherungsleistung

2. Drogenbedingte Fahruntüchtigkeit

Angesichts der Probleme der Strafjustiz für die unterschiedlichen Drogen und Konsumformen Grenzwerte analog des Alkoholmissbrauchs konnte keine feste Grenze ermittelt werden. Der Rahmen der Kürzung soll je nach Einzelfall zwischen 50 und 100 % liegen.

3. Überlassen des Fahrzeuges an Fahrer ohne Fahrerlaubnis ·

im privaten Bereich = keine Kürzung der Versicherungsleistung ·

im gewerblichen Bereich = 25 % Kürzung der Versicherungsleistung (sofern der Halter den Fahrer kannte und aufgrund objektiver Umstände davon ausgegangen ist, dieser sei im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis)

4. Missachtung des Stoppschildes oder eines festen grünen Abbiegepfeils

Generell 25 % Kürzung der Versicherungsleistung

5. Missachtung des Rotlichts an einer Ampel

Generell 50 % Kürzung der Versicherungsleistung

6. Verkehrsunsichere Bereifung

Generell 25 % Kürzung der Versicherungsleistung

7. Diebstahl

Schlüssel im Zündschloss belassen = 75 % Kürzung der Versicherungsleistung

Sonstiger gefahrgeneigter Umgang mit Kfz-Schlüsseln = 25 % Kürzung der Versicherungsleistung

Sonstiges

Weiter haben die Spezialisten empfohlen, die Versicherungen mögen sich bei Gestaltung des Kleingedruckten und bei der Regulierung in derartigen Mitverschuldensfällen an den Grundsatz „Quote vor Regress“ halten.

Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Empfehlungen des Arbeitskreises des Deutschen Verkehrsgerichtstages in die Regulierungspraxis der Versicherer und in die Entscheidungen der Instanz- und Obergerichte Eingang finden. Der vollständige Wortlaut der Empfehlungen des Arbeitskreis ist über das Internetangebot www.deutscher-verkehrsgerichtstag.de abzurufen.

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