AG Siegburg – Voller Erstattungsanspruch für Gutachterkosten auch bei hälftiger Mitschuld

In einer interessanten Entscheidung hat das Amtsgericht Siegburg jetzt die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners verpflichtet, dem Anspruchsteller die Gutachterkosten zur Ermittlung des Fahrzeugschadens in voller Höhe zu ersetzen, obwohl der Anspruchsteller am Unfall selbst unstreitig eine Mitschuld von 50 Prozent zu tragen hatte, Urteil des AG Siegburg, Urteil vom 31.03.2010 Az: 111 C 10/10, vgl. NJW 2010, 2289.

Es entsprach bislang allgemein üblicher Praxis, dass die zur Schadeninstandsetzung erforderlichen Kosten (z.B. Reparaturkosten, Mietwagenkosten, Sachverständigenkosten, etc.) bei einem Schadenfall anteilig nach Haftungsquoten erstattet werden. Das heißt, hat der Geschädigte keinen Mithaftungsanteil zu tragen, bekommt er vollen Ersatz; beträgt sein Mithaftungsanteil 30 Prozent, bekommt er die Kosten zu 70 Prozent ersetzt; beträgt sein Mithaftungsanteil 50 Prozent, dann bekommt er 50 Prozent seines Schadens ersetzt usw. Das gilt grundsätzlich so auch für alle weiteren möglichen Schadenpositionen (Verdienstausfall, Behandlungskosten, Kleidungsschaden etc.) Ein wenig anders ist die Erstattungspflicht nur hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten (Anwaltskosten und Gerichtskosten) geregelt.

Da diese Kosten streitwertabhängig sind (vereinfacht gesagt; je höher der Streitwert um so höher das Anwaltshonorar) und nur dann und in dem Umfang anfallen, in dem es sinnvoll ist, Schadenersatz zu fordern, richtet sich der Umfang der Erstattungspflicht, nach der Höhe des berechtigten Schadenersatzanspruchanteiles auf alle übrigen Schadenersatzpositionen. Wer also einen Gesamtschaden von z.B. 10.000 Euro hat und weiß oder wissen muss, dass sein Mithaftungsanteil 50 Prozent beträgt, bekommt nicht 50 Prozent der nach einem Gesamtschaden von 10.000 Euro berechneten Anwaltskosten ersetzt, sondern er hat Anspruch auf Ersatz der nach dem realistischen Gesamtanspruch von 5.000,00 Euro berechneten Anwaltskosten. Diese bekommt er aber dann zu 100 Prozent ersetzt, weil sie zur sachgerechten Durchsetzung des berechtigten Teiles seiner Schadenersatzforderungen notwendig sind.

Und aus Sicht des Amtsgerichtes (AG) Siegen verhält es sich ähnlich mit den Sachverständigenkosten. Diese sind den Rechtsverfolgungskosten vergleichbar, denn sie dienen ausschließlich dazu, den nach der jeweiligen Haftungsquote zu ersetzenden Schadenumfang für andere Schadenpositionen zunächst einmal zu ermitteln und durchzusetzen. Die Kosten fallen in gleichem Umfang an, selbst wenn der Geschädigte Ersatz für den Fahrzeugschaden, dessen Ermittlung sie ja dienen, von vorn herein nur um den Mithaftungsanteil gekürzt verlangen will. Und sie fallen gar nicht an, wenn der Geschädigte gar keinen Schadenersatzanspruch geltend macht, z.B. weil er weiß dass er allein Schuld ist.

Die Begründung lässt sich hören. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sich dieser Ansatz in der Rechtsprechung durchsetzt. Nicht entschieden wurde übrigens die Frage, ob bei einer Mithaftung auch die Sachverständigenkosten nur nach einem niedrigeren Wertansatz erstattungsfähig sind. Diese Frage ist für alle Sachverständigen deren Gebührentabelle von der Höhe des begutachteten Schadens abhängig ist – und dies dürfte die Mehrheit sein – nicht ohne Interesse.

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